Mittwoch, 29. Dezember 2010

Es wär schon fein, wenn zur Abwechslung mal was endgültig wäre...

Nicht nur Weihnachten ist ein bewährter Zeitpunkt, um über sein Leben nachzudenken. Auch sich bedrohlich nähernde, "runde" Zäsuren bieten willkommenen Anlass, einen Ausfallschritt aus dem gewohnten Trott zu machen und von der Seite zu betrachten: Wo steh ich jetzt, und - vor allem - wo steht meine Umgebung im Verhältnis zu mir?

Das Leben tendiert ja dazu, nicht sonderlich fair zu sein. Zumindest zu mir nicht. Da gibts doch tatsächlich Leute, die haben Freunde, mit denen sie nicht nur eine Windel geteilt haben, sondern tatsächlich nach wie vor eng verbandelt sind. Nun gut, ich will mich nicht mehr beschweren als nötig, schließlich besteht auch mein derzeitig innerer Kreis aus solchen und solchinnen, die bis zu einem Drittel meines bisherigen Lebens mehr oder weniger intensiv mit mir gegangen sind. Was ja durchaus sehr okay wäre, gäbe es nicht eine gewisse Fluktuation.

Mathematisch gesehen ist "Freundschaft(en)" ein nettes Liniendiagramm - als X-Achse die Zeit, als Y-Achse irgendwas... das lasst sich leider nicht so ganz fixgenau definieren, jedenfalls hats was mit räumlicher und seelischer Distanz zu tun. Und alle involvierten Personen sind Linien, die zuerst von irgendwoher links kommen und eine Weile durch die Gegend schlendern, sich dann einander annähern, plötzlich kreuzen. Manche gehen sofort wieder auseinander wie gleiche Magnetpole, manche teilen einen gewissen Zeitabschnitt, mäandern aneinander, die wenigsten gleichen sich an und werden eine Linie durch dick und dünn. Und irgendwann der Moment, da knirscht es im Gebälk. Erst ganz unmerklich, aber irgendwas ist anders. Ein kleiner Spalt bildet sich, die Linien driften auseinander. Manchmal kehren sie zum Ausgangsverhalten zurück und mäandern, aber die meisten werden von einer unsichtbaren Kraft erbarmungslos entzwei gerissen. (Nicht selten ist diese Kraft sogar ganz klar sichtbar, nämlich in Form einer weiteren Linie, aber das ist eine andere Geschichte...)

Das Paradoxon an der ganzen Situation ist: Je näher die Linien einander schon waren, desto ferner können sie einander noch werden. Was gestern noch kein Löschblatt trennen konnte, trennt morgen schon ganze Welten. Und dazwischen ein kleines Fragezeichen: Warum?

Donnerstag, 2. Dezember 2010

U4, bitte warten!

Heute mal zur Abwechslung nix von mir, dafür was viel Besseres:

Vor einigen Tagen begab es sich, dass die Linie U4 eine Störung hatte. Nichts Ungewöhnliches, möchte man einwenden. Diesfalls schon: Die Fahrgäste mussten in dem stromlosen Zug zwei Stunden ausharren, bis er von einer Diesellok in die nächste Station gezogen wurde. Normalerweise sollte bei einer derart langen Wartezeit das Kommando des Fahrers kommen, die Waggons innerhalb des Tunnels über die Fluchtwege zu verlassen. Sofern eben absehbar...?

Gerade das "absehbar" wird der wunde Punkt gewesen sein. Ich stelle mir die Situation etwa folgendermaßen vor:

Am Funk.

Leitstelle: Vier sechzehn für Zentrale kommen.
Zug: (krächz, schepper)
Leitstelle: Vier sechzehn, i vasteh ihna ned, kommen!
Zug: (blääp, pfeif, krach)
Leitstelle: Vier sechzehn, waun Se mi vastengan, bitte über Tedlefon kommen!

Einige Minuten später. Das Telefon läutet.

Leitstelle: Dleitstedle?
Zug: Jo, do vier sechzehn. Standort nahe Roßauer Lände. Mir haben keinen Fahrstrom nicht.
Leitstelle: Jo, vier sechzehn, des is uns bekannt. Es is ollas scho in Oarbeit, es geht glei weider. Maximal zehn Minutn!

Eine Viertelstunde später. Das Telefon läutet.

Leitstelle: Dleitstedle?
Zug: Vier sechzehn noamoi, es ist noch immer kein Fahrstrom nicht vorhanden.
Leitstelle: Jo, oiso... mir miassn no woatn, bis uns da Werkmaster Bescheid gibt, vurher kemma nix mochen. Eigentlich soit ma scho foahrn kennan, oba... najo, i gib Ihna Bescheid.

Noch eine Viertelstunde später. Das Telefon läutet.
Leitstelle: Dleitstedle?
Zug: Vier sechzehn wiederum, wia schau ma denn aus?
Leitstelle: Jo, oiso es wird no länger dauern, oba mir ziagn Ihna zruck mit an Hilfsfoahrzeug, es is ollas scho unterwegs. Waun S' des bitte aa denan Foahrgästn sogn. Wiederhörn.

Leitstelle ruft im Betriebsbahnhof an. Nach mehrmaligen Versuchen auf verschiedenen Klappen geht auch jemand zum Telefon.
Betriebsbahnhof: JO!?
Leitstelle: Serwas, Dleitstedle, Bresnitschek am Apparat. Du, mir brauchatn a Diesellok, doss ma von der Roßauer an Zug ausn stromlosen Däu zruckziagn.
Betriebsbahnhof: Zufoahrt is frei?
Leitstelle: Zufoahrt is frei, waun kenntsn do sei?
Betriebsbahnhof: I schau mi amoi um und gib eich glei Bescheid.

Zwanzig Minuten vergehen. Das Telefon läutet.
Leitstelle: Dleitstedle?
Betriebsbahnhof: Serwas, guade Nochricht. Mia haum an Foahra gfunden, er sitzt scho im Auto und is am Weg zu uns. Waun er do is, setzt er si glei eine und foahrt los.

Eine Viertelstunde später:
Betriebsbahnhof: Serwas, Seppl, daunk da schee, dossd da Zeid gnumma host. Foahrauftrog soit scho am Foahrzeug liegn, do host in Kodierer und in Wognpass... waunst wieda zruck bist, mödst di beim Diensteinteiler, i wea erm inzwischen sogn, er soi schaun, ob er da am 24. und am 31. frei gebn kau!
Fahrer: Nau, des is a leiwaunds Gegengschäft, do foahrt ma gern.
Beide: Jojo, dreißg Jahr bei da Partei zoin se scho aus...

Zehn Minuten später. Das Telefon läutet.
Betriebsbahnhof: JO!?
Fahrer: Seppl do. Heast, i find kan Foahrauftrog. Ohne kaun i ned foahrn.
Betriebsbahnhof: Jo, waaß i eh, i kimmer mi drum!

Zehn Minuten später wird der Fahrauftrag übergeben. Mit der noch dazuzuzählenden Fahrzeit sind also insgesamt locker zwei Stunden vergangen. Aber was sind schon läppische zwei Stunden bei jahrhundertelanger Erfahrung in der Personenbeförderung?


((c) User 95B, Forum der Fanpage der Wr. Linien)
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