Dienstag, 11. September 2007

Danke, Patricia

Anscheinend darf ich nichtmal mehr eine Woche auf Urlaub fahren. In meiner Abwesenheit dürfte Wien nämlich wesentlich verblödet sein. Und ich meine eine über die allgemein in immer kürzeren Zyklen stattfindende Verblödung hinausgehende.

"Schweglerstraße, umsteigen zu den Linien 9 und 49. Bitte lassen Sie Ihre Zeitung nicht im U-Bahn-Zug zurück. - - - - - Ausstieg links." - Wie schön.

Meinetwegen, ich lass mir dieses "Ausstieg links/rechts" einreden, auch wenn es wahnsinnig penetrant ist und mit einer ewig langen Verzögerung nach dem eigentlichen Ansagetext eingespielt wird (was die Penetranz noch erhöht, als wenn es in einem Rutsch käme), und ich mich frage, wie die Blinden und Sehbehinderten wohl bis vor zwei Wochen (U-)Bahn gefahren sind, und ob man denen nicht auch noch ein "in Fahrtrichtung"... - nein, besser die Wiener Linien net auf dumme Gedanken bringen.

Aber der Gipfel an Nervenverstümmelung ist diese unsägliche Kinderstimme, die einem in den frühesten Morgenstunden direkt unter die Hirnhautrinde sticht, wenn man - wozu fährt man sonst freiwillig in den Stoßzeiten öffentlich? - grad mal die Zeit zwischen Aufstehen und tatsächlichem Aufwachen halbschlafend zu überbrücken gedenkt. So, wie die oben für diesen Text verwendete Farbe das Auge erschrickt, durchtrennt das gesprochene Äquivalent das geneigte Trommelfell des [anständigen] Fahrgastes. Offensichtlich verdient da wohl ein WL-Semibeamter zu wenig, sodass er seine Tochter für den Schmarrn hergeben muss. Naja, vielleicht kommt sie ja bald in den Stimmbruch. Oder geniert sich in Grund und Boden, wenn sie sich selber hört. Oder beides.

Da verteilt man zuerst gratis ein Schundblattl, welches immer noch mehr Wert hätte, wenn mans, anstatt öffentlich aufzulegen, unmittelbar wieder der Fernwärme zuführen würde, und wundert sich im Anschluss, wenn die intellektuelle Speerspitze von Leserschaft den gewünschten Recyclingschritt nicht im erwarteten Ausmaß tätigt. Was glauben die für diese Aktion verantwortlichen Großkopferten eigentlich? Haben die gleich Hans Guck-in-die-Luft nie einen Blick in die Bahnareale geworfen, bevors Gratiszeitungen gegeben hat? (Wahrscheinlich nicht, im Firmenauto nimmt man sowas klarerweise nicht wahr.) Wie kommen die auf die bizarr anmutende Idee, dass Subjekte, die sich um kein Rauchverbot scheren, ihre Schuhsohlen per U-Bahn-Sitz reinigen, Tschickstummeln, Plastikflaschen und sonstigen Müll auf die Gleise kippen, sich von einer 12jährigen Patricia an eine offensichtlich nie in sozial verträglicher Dosis genossenen Kinderstube "erinnern" lassen? Und wie kommen diejenigen, die diese besseren Flugblattln keines Blickes würdigen, dazu, sich tagtäglich zweimal pro Fahrt oder öfter diesen Stuss anhören zu müssen (sogar zweimal binnen der drei U3-Stationen von der Johnstraße zur Zieglergasse)?

Und ich befürchte, dass noch eine Reihe weiterer "Erziehungsmaßnahmen" mit Rotznasenstimmen auf uns zukommt. Wenn die Wiener Linien glauben, mit solchen Aktionen, die bestenfalls zum kollektiven Augenrollen animieren, die Attraktivität des öffentlichen Verkehrs anzuheben, wunderts mich nicht, dass der Trend zum Zweitauto geht.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Oh, es ist eine Patricia. Dachte, es sei eine Bubenstimme... *g*

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