Samstag, 6. Oktober 2007

Märchenstunde

Es war einmal eine wohlhabende Familie - Vater, Mutter und die zwar ein wenig verzogene, aber dennoch gutherzige Tochter. Sie lebten in einem schönen Mittelstandshaus mit einem weitläufigen Garten am Rande der Stadt.

Jeden Tag wurde das Kind von seinen Eltern auf dem Weg zur Schule begleitet. Eines Tages eröffnete eine Zoohandlung in der Straße, die vom Haus der Familie zur Schule führte. Es dauerte nicht lange, da saß auch schon ein Welpe im Schaufenster. Kinderaugen bemerken solche süßen Verlockungen natürlich sofort, und so klebte das Mädchen erst ungläubig, dann immer länger und schwärmender am Auslagenfenster, um in die treuherzigen Augen des kleinen Hundes blicken zu können, bis es schließlich nach ein paar Tagen erklang: "Papa! Mama! Sooo ein liebes Hundi! Das schaut sooo arm drein! Kömma das nicht nehmen?" - Erst waren die Eltern skeptisch, doch schließlich kamen sie zur Überzeugung, dass ein Tier vermutlich einen guten Einfluss auf die Tochter hätte, zumal ihr als Einzelkind sowieso ein Spielkamerad fehlte. So betraten sie das Geschäft und kauften den Hund.

Es vergingen keine zwei Wochen, da saß neuerlich ein Tierbaby hinter der Scheibe - diesmal ein kleines Kätzchen. Das Spielchen wiederholte sich: Erst wurde das Mädchen neugierig, dann ging es los: "Papaaa! ..." - Der Papaaa und die Mamaaa konnten ihrem Kind keine Bitte ausschlagen, wenn es denn diesen Tonfall benutzte. Das wussten recht bald sowohl das Mädchen, als auch die Besitzerin der Zoohandlung, die das Geschäft ihres Lebens witterte. Und so ging es weiter: Alle zwei, drei Wochen saß ein neues, süßes Tier in der Auslage. Am Ende des Jahres war das Haus der Familie um drei Hunderln, fünf Kätzchen, vier Wellensittiche, sieben Spitzmäuse und fünf Frettchen reicher. Die Tierhändlerin konnte per Silvester beruhigt in Pension gehen.

Die Tochter wurde größer, mit ihr die Tiere. Anfangs hatte die Kleine mit ihrem Streichelzoo sehr viel Freude, diese ließ aber schon binnen weniger Monate spürbar nach, denn die Tiere hatten (über das normale Stubenrein-Werden hinausgehend) ihre Anpassungsschwierigkeiten - sie könnten sich nicht so recht an das Leben in einem schönen Haus am Rande der Stadt gewöhnen. Die Eltern nahmen die Tochter mahnend zur Seite: Sie hätte diese Tiere gewollt, und somit müsste sie sich auch ihrer Pflicht bewusst werden, diese Tiere gut zu halten und ihnen ihre kleinen Sünden verzeihen; sie würden sich schon noch im Haus einleben.

Die Jahre vergingen, die Tochter war der Schule entwachsen, die Tiere wollten sich jedoch noch immer nicht so recht im Hause heimisch fühlen. Mittlerweile hatten sowohl die Hunde, als auch die Katzen weitere Junge geworfen. Das Mädchen freute sich - zwar nicht so enthusiastisch wie früher, aber dennoch, denn sie hoffte, dass sich nun mit den Kleinen alles zum Besseren ändern würde. Doch die Hunde wollten nicht mehr so richtig gehorchen und zogen sich immer mehr in den Geräteschuppen im Garten zurück; die Katzen waren ohnehin nie so richtig an der Familie interessiert und kamen immer seltener ins Haus - meistens nur, wenn der Fressnapf frisch gefüllt war. Für die Frettchen und Spitzmäuse musste bald schon ein größeres Zimmer gefunden werden, da sie sich schneller vermehrten als die Mäuse am Konto; nur die Wellensittiche blieben zu viert und fühlten sich in ihrem Bereich merklich wohl. Die Familie war zwar selber immer noch zu dritt, doch ihre Lebensqualität senkte sich spürbar, da die Kosten für Futter, Tierarzt, Katzenstreu und sonstiges Zubehör mit der Anzahl der Hausbewohner merklich stieg. Doch Vater, Mutter und Tochter arrangierten sich mit der Situation, schließlich hatten sie ja auch eine Verantwortung übernommen, als sie sich die Tiere zugelegt hatten.

Eines Tages kamen sie ins Haus - fünf kräftige, junge Hunde. Die Familie erkannte sie erst nach mehrmaligem Hinschauen wieder: Es waren jene fünf, die noch vor zwei Jahren so lieb im Korb an der Mutterbrust gesaugt hatten. Doch diese Tiere hatten nichts mehr mit den süßen Welpen gemeinsam. Sie knurrten und fletschten ihre Zähne und schritten bedrohlich auf die Familie zu. Vater, Mutter und Tochter rannten ins Schlafzimmer und schlossen sich dort ein, während weiterhin an der Tür Knurren und Kratzgeräusche hörbar waren. Die Hunde übernahmen nun das Kommando im Haus; die Familie konnte sich in ihren eigenen vier Wänden nur noch eingeschränkt bewegen, da auch die übrigen Tiere die neuen Machtverhältnisse erkannt und sich in diversen Zimmern ausgebreitet hatten.

Da fiel es den drei Menschen wie Schuppen von den Augen: Als sie sich den ersten so süßen Welpen aus dem Schaufenster zugelegt hatten, hatten sie sich tatsächlich eine Laus in den Pelz gesetzt. Denn auch der süßeste Hund bleibt nicht ewig süß.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Ähm, unsere Kinder bekommen kein Haustier... und ich nun alPBträume...

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