Mittwoch, 20. Februar 2008

MCMLXXXIV? 11111000000? 1984!

Der Cursor blinkt. Was soll er auch sonst tun? Es ist seine Existenz, um uns nicht nur mitzuteilen, dass es ihn noch gibt, weil andernfalls ein Neustart vonnöten wäre. Nein, er verschafft uns darüber hinaus Orientierung: Wo war ich, wo bin ich, von wo will ich weiter, und kommt eh noch ein Zug? Was Religion und Politik nach Jahrhunderten noch nicht restlos zuwege gebracht haben, bestand das kleine blinkende Quadrat binnen kürzester Zeit mit Bravour.

Unlängst hatte ich das zweifelhafte Vergnügen, eines jener alten Instrumente aus dem vorigen Jahrhundert in die Reißn zu bekommen. Immerhin, es dürfte wohl schon ein mobiles Modell gewesen sein, welches zumindest nicht dauerhaft an der Steckdose hängen muss - jedenfalls fiel mir kein sperriges Stromkabel auf. Dann allerdings scheiterte ich schon: Wo bitte war der Einschaltknopf? Da gabs zwar links und rechts jeweils ein Rad, doch stetes Kurbeln setzte offensichtlich keinen Dynamo in Gang. Das Betätigen des seltsamen metallenen Pumpschwengels auf der rechten Seite brachte das Gerät auch nicht zum Booten. War etwa der Akku völlig hinüber? Verzweifelt wandte ich mich an den telefonischen Support jener mir bis dato unbekannten Firma, deren Ausgeburt dieses Ding laut Aufschrift sein musste. Augenblicklich meldete sich eine Herrenstimme. Dies traf mich völlig unvorbereitet. Da ich bislang die besten Jahre meines Lebens in diversen Hotline-Warteschlangen verbracht hatte, wodurch ich immerhin ein beträchtliches Allgemeinwissen über die seltsamsten Musikrichtungen entwickeln konnte, ging ich in letzter Zeit verstärkt dazu über, reflexartig nach dem Ertönen des Ruftons die unfreiwillig gewonnene Zeit halbwegs sinnvoll zu nutzen: Klogehn, Kaffeekochen, Kniebeugen. Diesmal jedoch mündete meine Perplexität in einem spontanen Fritzelack, da der gewohnte Schritt weg vom Telefon bereits halb ausgeführt war.

Nachdem ich meine Knochen wieder mehr oder minder vollzählig eingesammelt hatte und meinem akustischen Gegenüber erfolgreich eine Telefonkonferenz mit der Aufnahmestation des Lorenz-Böhler ausreden konnte, brachte ich mein Anliegen dar. Als konditionierter Kunde hielt ich natürlich Modell und Seriennummer parat, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass die Garantiefrist wohl schon seit längerem abgelaufen sein dürfte, da ich mich nicht erinnern könnte, dieses Ding jemals gekauft... aber wenn man schon sowas am Dachboden findet, warum soll man dann nicht, und es sähe ja noch gut aus, und der Computer wäre ohnehin grad mit einem Virus... also wie drehe ich dieses Ding jetzt auf? Der Supportmensch versank in Ähhs und Hmmnen, er kenne das Modell nicht, es wäre wohl tatsächlich schon älter, obwohl er selbst auch nicht mehr der Jüngste und immerhin schon Mitarbeiter des Monats im letzten Jahrhundert, hähää!, und ich möge doch bitte warten, er würde sich schlau machen, kleinen Moment... The answer my friend, is blowing in the wind - ich konnte zwar mitsingen, schließlich kannte ich die Melodie schon aus der Warteschleife eines alternativen Energieerzeugers... aber ich war gefangen, denn er konnte sich jederzeit wieder melden! Ohne Vorankündigung!

Runde 17 Minuten später wurde ich unsanft aus dem Halbschlaf gerissen. Seine Datenbank hätte ihm zu diesem Modell etwas gehustet, darum habe er keinen Stein auf dem anderen gelassen und das halbe Haus befragt, ob die Kollegen denn wüssten oder wenigstens _wen_ wüssten... und dann immerhin den Goldtipp bekommen, den Urlaub des Dienstältesten handymäßig zu unterbrechen. Dieser Tattergreis von 42 Jahren - firmenintern war er als "Jurassic Koarl" bekannt, wie mir mein Supportengel mit hörbarem Grinsen erläuterte - hätte die Empfehlung abgegeben, man möge doch ein Blatt Papier vom Format A4 vorsichtig zwischen Daumen und Zeigefinger der einen Hand nehmen und zwischen Führungsschiene und Gummiwalze halten und mit der anderen Hand an einem der Räder drehen, bis das Blatt merklich eingeklemmt wäre, und dass ich für weitere Erläuterungen zum Funktionsumfang des Geräts das Wort "Schreibmaschine" in den Google klopfen sollte.

Prima Idee. Mach ich dann gleich, wenn ich wieder Internet habe.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

*grins* Das letzte Mal, als ich so ein Ding in den Händen hielt, war ich 16 und lernte gerade das 10-Finger-System. Erinnerungen werden wach *lächel*

Anonym hat gesagt…

Öhm, das davor war gerade ich, Sabine

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